Zaubersprüche

Das Unglaublichste, was man Hexen zuschreibt, ist die Fähigkeit, durch Zaubersprüche Menschen in Frösche oder Schweine zu verwandeln oder einer Person Eselsohren, einen Schwanz, einen zweiten Kopf, ein drittes Bein u. ä. anzuzaubern.

Wissenschaftlich gesehen bedeutet das: Die Hexe spricht mit ihrer Stimme unmittelbar die Gene des Opfers an und bringt diese dazu, bestimmte Teile des genetischen Programms (z. B. Wachsen des Kopfes) neu auszuführen bzw. ganz uncharakteristische Vorgänge im menschlichen Organismus zu starten.

Scheint utopisch zu sein - ist aber nicht ganz unmöglich. So glaubt zumindest Dr. Peter Gariaev von der russischen Akademie der Wissenschaften.

Gariaev vertritt eine ziemlich junge Wissenschaft: die Wellengenetik. Diese geht davon aus, dass alle Entwicklungsprozesse in einem Lebewesen dadurch gesteuert werden, dass seine Gene mit einander und auch mit der Außenwelt ständig über elektromagnetische Wellen kommunizieren. Dabei benutzen Gene ein Signalsystem, das laut Gariaev nach den selben Prinzipien funktioniert, wie die menschliche Sprache.

Wenn Gariaev recht hat, dann sind die Gene unter bestimmten Bedingungen tatsächlich in der Lage, menschliche Worte zu verstehen und sogar auf sie zu reagieren.

Die Sprache der Menschen und ihrer Gene

Dass genetischer Code und menschliche Sprache etwas gemeinsam haben, scheint auf den ersten Blick sehr zweifelhaft zu sein. Der Hauptunterschied: In menschlichen Texten ist jedes Wort von Bedeutung. In genetischen Texten spielen dagegen nach herrschender Meinung nur wenige kurze Abschnitte eine Rolle. Die meisten Abschnitte, so die klassische Genetik, seien unbedeutender biologischer Müll. Nähme man diese Abschnitte weg, würde sich im Organismus nichts ändern.

Doch Dr. Gariaev sieht das anders. Kurze Abschnitte sind nach seiner Meinung nicht mehr als eine Liste aller Körperteile. Sie seien nur dafür verantwortlich, dass ein Mensch einen Kopf, einen Rumpf, zwei Arme und zwei Beine hat. Wie sich aber das alles im Raum anordne, das würden die langen DNA-Abschnitte bestimmen. Beim Ablesen dieser Abschnitte, so Gariaev, würden Wellen ausgestrahlt, die den räumlichen Bauplan des Organismus entwerfen.
Nähme man diese Abschnitte weg, dann gäbe es auch keinen Körper, sondern nur einzelne sinnlose Teile. Also, schließt Gariaev, sei auch in genetischen Texten jedes Wort bedeutungsvoll, da es Zusammenhänge zwischen anderen Wörtern beeinflusse.

Eine weitere Ähnlichkeit mit der menschlichen Sprache ist weniger umstritten: Es gibt in genetischem Code Abschnitte, die nicht eine, sondern mehrere Bedeutungen haben. Genau wie das deutsche Wort "trocken" in den Wendungen "die trockene Sprache" und "das trockene Blatt" verschiedenes bedeutet, gibt es auch in genetischem Code Abschnitte, die mal zum Wachsen eines Beines, mal eines Armes beitragen - abhängig davon, in welchen Zusammenhängen sie abgelesen werden.

Gariaev will aber weitere Parallelen erkannt haben. Nach seiner Ansicht gibt es in genetischen Texten - genau wie in menschlichen - Subjekte, Prädikate, Objekte und sogar Interpunktionszeichen. Die ganze sprachliche Struktur eines DNA-Codes stimmt demnach mit der Struktur eines beliebigen menschlichen Textes überein.

Das Gespräch mit Pflanzensamen
Seine Theorie will Gariaev nun experimentell bestätigen. Wenn Menschen und Gene tatsächlich so ähnliche Sprachen sprechen, dann gibt es nur einen Grund, weswegen sie sich nicht richtig miteinander unterhalten können: Die Menschen sprechen über Schallwellen, die Gene über elektromagnetische Wellen. Doch dieses Problem lässt sich leicht beheben.

Mit Hilfe eines Wandlers, des sogenannten FPU-Generators, will Gariaev Schallwellen in elektromagnetische Wellen transformieren und sie auf diese Weise für Gene der Samen "hörbar" machen.
Gariaev sortiert die Pflanzensamen in mehrere Gruppen und liest ihnen über sein Gerät verschiedene Texte auf Russisch und auf Englisch vor. Eine der Gruppen versucht er auch, mit einer unzusammenhängenden Rede (wie "bla-bla-bla-abracadabra") zu beeinflussen.

Einige Tage später vergleicht er die Fortschritte: Die Samen haben auf verschiedene Texte mit verschiedener Wachstumsgeschwindigkeit reagiert. Manche sind wesentlich schneller gewachsen, manche sind stark zurückgeblieben. Nur die Gruppe, die das unzusammenhängende Bla-bla-bla hörte, zeigte keine Reaktion. Sie ist ganz normal gewachsen.
Also haben die Gene der Pflanzensamen jeden zusammenhängenden Text irgendwie erkannt und irgendwie darauf reagiert - so interpretiert Gariaev das Ergebnis.

Dies kann allerdings erst dann als wissenschaftlich nachgewiesen gelten, wenn andere Wissenschaftler sein Experiment wiederholt und die Ergebnisse bestätigt haben.

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