Die Kraft des Glaubens
"Der Glaube versetzt Berge", so ein altes Sprichwort. Dass daran mehr als ein Körnchen Wahrheit ist, bezweifelt auch eine Disziplin inzwischen nicht mehr, die sonst eher auf die naturwissenschaftlich nachweisbare Kraft der Biochemie setzt: die Medizin. Seit langem weiß man: Auch Medikamente, die keinerlei Wirkstoff enthalten, können einen Heilungsprozess in Gang setzen - solange der Patient nur daran glaubt, dass sie helfen. In den vergangenen zehn Jahren haben Wissenschaftler solche Wirkungen der Psyche auf den Körper, den sogenannten Placebo-Effekt, verstärkt untersucht.

Wunderpillen
Demnach beeinflussen mehrere Faktoren die Heilungschancen von Placebos: Neben der Persönlichkeitsstruktur des Patienten - ängstliche Menschen sprechen besonders gut auf Placebos an - spielt vor allem das Aussehen und die Form der Präparate eine Rolle. Große Pillen wirken besser als kleine, Kapseln besser als Tabletten; noch besser wirken Pflaster oder Spritzen. Blaue Präparate wirken beruhigend, gelbe stimulierend und weißgrüne schmerzlindernd.

Im psychiatrischen Bereich, etwa bei Depressionen, werden die Wunderpillen schon seit längerem mit Erfolg eingesetzt. Und auch bei Operationen hat man Placebo-Therapie erfolgreich getestet.

Wunderexperiment
Die Probe aufs Exempel gelang bei einem medizinischen Experiment in Houston, Texas (USA). Von 180 Athrose-Patienten wurden zwei Drittel von dem Orthopäden Dr. James Bruce Moseley real operiert, die anderen nur einer Scheinoperation unterzogen. Damit der Arzt den Verlauf des Experimentes nicht beeinflussen konnte, wurde erst kurz vor der Narkose durch Losverfahren bestimmt, wer real operiert werden sollte und wer nicht.
Bei den Patienten, die er wirklich operierte, schnitt der Orthopäde das schmerzende Kniegelenk auf, spülte den Abrieb aus und glättete die Knorpel mit einer feinen Fräse. Bei den anderen machte er nur ein paar oberflächliche Schnitte, damit hinterher eine Operationswunde zu sehen war. Kein Patient erfuhr, ob er wirklich operiert worden war oder nicht.

Das Ergebnis: Nach zwei Jahren waren nicht nur 90% der Patienten mit der Operation und der Heilung hochzufrieden - unter den schmerzfreien Patienten waren die "scheinoperierten" sogar in der Mehrzahl. Ein Ergebnis, das die Befunde anderer Placebo-Experimente bestätigt, bei denen eine durchschnittliche Wirksamkeit von 70% ermittelt wurde.

Der Placebo-Effekt beschränkt sich jedoch nicht allein auf Scheinoperationen und Wunderpillen. Mindestens genauso wichtig ist das Verhalten des Arztes. Ein optimistischer Arzt, der eine vertrauensvolle Patienten-Beziehung aufbaut, von seiner Behandlungsstrategie überzeugt ist und gute Aufklärung leistet, kann erstaunliche Resultate erzielen - im Zweifelsfall auch ganz ohne Pillen.

Wunderheilung ??
Aber wie funktioniert Heilung oder Schmerzlinderung durch den Placebo Effekt? Bereits beim Anblick beispielsweise einer Injektionsspritze setzt eine komplexe physiologische Reaktion ein. Über mehrere Stationen des Gehirns gelangt der Sinneseindruck der Narkosespritze in den "Hippocampus", einer bogenförmigen Struktur unter dem Großhirn. Dort wird der Reiz verarbeitet.
Weil der Patient weiß, wie eine Spritze aussieht, rechnet er mit einer bestimmten Wirkung der Injektion. Diese Erwartung entsteht im vorderen Bereich des Gehirns, dem "Präfrontalen Cortex", und wird an den Hypothalamus weiter geleitet. Dort reagiert das Gehirn auf den Nervenimpuls mit der Produktion von Hormonen.
Diese wiederum wirken auf die Hormonproduktion der Nebenniere. Es entstehen Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, die ihrerseits schließlich Immunzellen aktivieren. Das Stresshormon Cortisol zum Beispiel kann entzündungshemmende Wirkung haben. Fazit: Allein die Heilungserwartung stärkt das Immunsystem.
Darüber hinaus werden bei Schmerzempfinden noch andere Selbstheilungskräfte aktiv: Der "Hypothalamus" schüttet unter anderem Opioide in größerer Menge aus. Diese körpereigenen Wirkstoffe docken in den Synaptischen Spalten der Nervenzellen an. Das kann an den unterschiedlichsten Orten im menschlichen Körper passieren: beispielsweise in Hirnstamm, Rückenmark oder Knie. Dort unterdrücken die Opioide die Schmerzweiterleitung über das Nervensystem.
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