Heilen mit Kräutern

Auf die Idee, Pflanzen als Heilmittel zu verwenden, waren schon Ägypter und Babylonier gekommen. Den Pflanzen wurden im Laufe der Geschichte allerlei Wirkungen zugeschrieben. Krankheiten wurden als Wirkung dämonischer Mächte empfunden, die man mit Hilfe von pflanzlichen Tränken oder Salben, oft in Verbindung mit Zaubersprüchen und magischen Beschwörungen, abwehren konnte. Systematisch für medizinische Zwecke angewendet wurden Heilkräuter, als Mönche begannen, in Klöstern Kranke zu behandeln. Doch sie waren nicht als einzige zuständig für die medizinische Versorgung: Bader, Barbiere und Wundärzte zogen neben Scharlatanen und Quacksalbern durch die mittelalterlichen Gemeinden. Frauen spezialisierten sich auf die Geburtshilfe und die Kräuterheilkunde. Diese "weisen Frauen" nutzten ein breites Erfahrungswissen, um Pflanzen gegen die verschiedensten Krankheiten einzusetzen.

Baldrian:

starker Bedeutungswandel Der Baldrian (Valeriana officinalis) ist ein Beispiel dafür, wie stark sich die Verwendung einer Pflanze im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Er wanderte quer durch alle möglichen Anwendungsgebiete. Im 16. Jahrhundert sollte er unter anderem Würmer im Bauch vertreiben, innere Entzündungen in der Brust lindern, gegen Pest und Sehschwäche helfen. Goldschmiede kauten ständig auf einem Stückchen Baldrianwurzel herum, weil sie glaubten, sie könnten dadurch besser sehen. Auch als Aphrodisiakum wurde der Baldrian genutzt. Heute ist eigentlich nur eine Anwendung übrig geblieben: als Schlaf- und Beruhigungsmittel. Baldrian verkürzt die Einschlafzeit und lässt einen nachts besser durchschlafen. Der Vorteil von Baldrian gegenüber chemischen Mitteln liegt vor allem darin, dass er nicht süchtig macht und am nächsten Tag nicht zu Benommenheit führt. Was genau die Baldrian-Wirkung ausmacht, ist aber bis heute nicht klar. Man hat angenommen, dass die sedierende Wirkung auf bestimmten Inhaltsstoffen, den Valepotriaten, beruht. Allerdings hat sich herausgestellt, dass sie nicht wirken, wenn man sie isoliert. Man vermutet deshalb, dass die Wirkung des Baldrians nicht von einzelnen Komponenten verursacht wird, sondern von der Kombination von bis zu 100 Einzelsubstanzen. Möglicherweise spielt sogar auch der Geruch eine Rolle.
Knoblauch:

birgt noch Geheimnisse Der Knoblauch zählt zu den ältesten Heilpflanzen der Welt. In Ägypten galt er als heilige Pflanze. In Griechenland sagte man, er verleihe Kraft. Im Mittelalter wurde er gar als Mittel gegen die Pest gehandelt. Im Böhmerwald trug man den Knoblauch als Schutzmittel gegen den bösen Blick - und natürlich zur Abwehr von Vampiren. Bis heute wird der Knoblauch auch als pflanzliches Heilmittel eingesetzt, um den Cholesterinspiegel zu senken und altersbedingten Gefäßerkrankungen vorzubeugen. Für den Geruch und die medizinische Wirkung des Knoblauchs machen Wissenschaftler bestimmte schwefelhaltige Substanzen verantwortlich, die in der Pflanze aus so genannten Cysteinsulfoxiden gebildet werden. Das im Knoblauch vorkommende Cysteinsulfoxid Alliin bildet zum Beispiel Substanzen wie Allicin, das Bakterien und Pilze bekämpft, sowie Ajoen, das das Blut verdünnt und die Gerinnungszeit verlängert und als wirksames Mittel gegen Thrombosen eingesetzt wird. Die Cysteinsulfoxide sind für Wissenschaftler deshalb besonders vielversprechende Stoffe, und sie suchen danach auch in anderen Pflanzen.
Brennnessel: Im Dornröschenschlaf

Die Brennnessel hat ihre Karriere als Heilpflanze offensichtlich erst einmal hinter sich. Im Mittelalter wurde sie gegen Gicht und Rheuma angewendet. Man peitschte dazu die Haut mit den Blättern aus. Die Nesselhaare der Brennnessel wirken wie kleine Injektionsnadeln, wenn sie auf die Haut treffen und fördern durch die lokalen Entzündungen die Durchblutung - zumindest lenken sie so vom Rheumaschmerz ab. Die Brennnessel sollte auch gegen Asthma sowie Drüsenschwellungen, Halsentzündungen, Husten, Lungenentzündung, Geschwüre und Furunkel helfen. Von Nebenwirkungen die aphrodisierend wirken berichtet schon der römische Dichter Ovid. Nach der Signaturenlehre, wonach Pflanzen bei im Aussehen ähnlichen Beschwerden hilfreich sein sollten, wurde die Brennnessel wegen ihrer feinen Härchen auch als Haarwuchsmittel verwendet.
Heute wird sie kaum noch angewendet. Wegen ihrer entwässernden (diuretischen) Wirkung trinkt man sie als Tee bei Harnwegsinfekten, zur Vorbeugung und Behandlung von Nierengrieß oder bei Prostatabeschwerden. Sie könnte aber bald wieder eine neue Karriere beginnen, denn viele Inhaltsstoffe sind pharmakologisch noch nicht untersucht. Spannend sind zum Beispiel die Nesselgiftstoffe, unter anderem Acetylcholin, Histamin, Serotonin und Ameisensäure. Als Lebensmittel ist sie dennoch ziemlich gesund, denn die Brennnessel enthält einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen.
Altes Wissen neu entdeckt

Viele Heilwirkungen von Pflanzen wurden in der Geschichte ausprobiert. Manche haben sich bis heute erhalten, andere sind in Vergessenheit geraten. Schriftlich überliefert wurde das Wissen um die Kräuter im wesentlichen von den Mönchen und Nonnen, die es sorgfältig aufschrieben und die Rezepte immer weiterentwickelten. Heute haben sich Wissenschaftler daran gemacht, diese alten Handschriften zu entziffern und sie systematisch auszuwerten. In einer Forschergruppe an der Würzburger Universität haben sich Historiker, Mediziner und Pharmazeuten zusammengeschlossen, um dieses alte Wissen wieder zugänglich zu machen. Klar, dass vor allem die Pharmaindustrie sehr interessiert daran ist, neue alte Wirkstoffe zu finden, um neue Medikamente zu entwickeln.


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